Yoga und Reitkunst – eine wertvolle Kombination

Im Yoga geht es nicht darum, deine Zehen berühren zu können. Es geht vielmehr darum, was du auf dem Weg nach unten lernst.

Jigar Gor

Zwei Geister müssen wollen, was zwei Körper können – diesen Satz sagte einst Bent Branderup, Grossmeister der akademischen Reitkunst. Einfacher gesagt als getan. Wer kennt es nicht: nach einem langen Tag im Büro fahren wir mit dem Auto zum Pferd und führen es auf den Reitplatz oder die Halle. Wir haben viel vor – schliesslich geht es hier um Reitkunst! Vor unserem inneren Auge sehen wir uns schon durch den Sand schweben. Das Pferd leicht an den Hilfen, wir müssen nur denken und unser Partner setzt bereits bereitwillig um.

Doch kaum sitzen wir im Sattel kommt die grosse Ernüchterung. Rechts herum ist der Zirkel einigermassen rund – links gleicht er eher einem Hühnerei. Das Pferd legt sich im Schulterherein auf den inneren Zügel, nimmt das Bein nicht an, die Pirouette will auch nicht klappen… Richtig angaloppieren ? Fehlanzeige. 

So viel zum entspannenden Abendprogramm. Kein Wunder; schliesslich sassen wir den lieben langen Tag in gebückter Haltung auf dem Stuhl und starrten in den Bildschirm. Dabei verkürzten wir mehrere Stunden jene Muskeln, die wir im Sattel locker und gedehnt brauchen, während die, die uns im Sattel stabilisieren sollen, Pause hatten.

Den Körper spüren und präzise einsetzen können durch Yoga

Das Ziel der Reitkunst ist eine sanfte Kommunikation mit feinen, fast unsichtbaren Hilfen. Das Pferd, welches eine Fliege auf seinem Fell spüren kann, spürt ebenso ein Muskelzucken unserer Wade, ein leichtes Annehmen des kleinen Fingers, eine Drehung der Schulter. Doch wenn wir eine solch feine Kommunikation anstreben, müssen wir auch dafür sorgen, dass unsere Körper dazu in der Lage sind. Für ein korrektes Travers die äussere Hüfte zurücknehmen, den äusseren Gesässknochen anheben, die äussere Schulter vorbringen – all das ist nur möglich, wenn wir unseren Körper sowohl gut wahrnehmen als auch präzise ansteuern können. Dafür ist für mich eine regelmässige Yogapraxis nicht mehr wegzudenken.

Auch für mich war Yoga bis vor etwa acht Jahren ein Buch mit sieben Siegeln. „Dafür muss man doch mindestens den Spagat können“, dachte ich – „und richtiger Sport ist das auch nicht, da gehe ich lieber ins Pilates oder eine Runde joggen“. Ein Kurs, in den ich eher zufällig im Unisport hineinstolperte, änderte das schlagartig. Da stand eine ältere Frau mit schneeweissem Haar und humorvollem, verschmitzten Lächeln vor etwa dreissig jungen StudentInnen und schaffte es tatsächlich, alle zu beeindrucken. Sie strahlte eine Ruhe aus, die alle im Raum deutlich spürten und war gleichzeitig fitter als die meisten von uns. Nach ihren (durchaus anstrengenden – von wegen kein Sport!) Stunden fühlte ich mich balanciert, zentriert und geerdet. Heute weiss ich: genau so möchte ich mich auch auf dem Pferd fühlen: Ich möchte Yoga mit in den Sattel nehmen.

Atem als Verbindung von Körper und Geist

Einer der wichtigsten Stützpfeiler des Yoga ist das so genannte Pranayama, was übersetzt etwa soviel bedeutet wie „kanalisieren der Lebensenergie“. Wir können uns das so vorstellen wie einen grossen Fluss, der gemächlich und träge dahinfliesst. Mit Pranayama können wir diesen Fluss einengen und ihm eine Richtung vorgeben. Er fliesst schneller und das Wasser entfaltet deutlich mehr Kraft. Ähnlich wie das Wasser können wir auch unseren Atem und damit unsere Energie kanalisieren. Das Pferd wiederum ist sehr sensibel auf unsere Körperspannung und unsere Intention. Sind wir angespannt, wird unser Atem schneller und flacher. Ein Pferd merkt dadurch augenblicklich: „oh, da ist etwas nicht so, wie es sein sollte!“ und wird sich ebenfalls verspannen. Atemtechniken aus dem Yoga helfen, in Stresssituationen durch die Kontrolle des Atems sowohl sich selbst wie auch das Pferd zu beruhigen, zu erden und wieder zu fokussieren.

Durch gezielte Übungen und Übungsabfolgen, die Asanas, lernen wir unsere Körper neu kennen. Egal ob blutiger Anfänger oder fortgeschrittener Yogi, es gibt immer wieder etwas zu entdecken. Das moderne Yoga verbindet die jahrhundertealten Traditionen und Erkenntnisse mit dem heutigen Wissensstand und konzentriert sich stark auf die korrekte Ausrichtung des Körpers in den jeweiligen Übungen, um diese sicher ausführen zu können und Verletzungen zu vermeiden. Im Fluss mit dem Atem nehmen wir Verspannungen, zum Beispiel in Hüften oder Schultern, gezielt wahr und können diese nach und nach lösen. Aber im Yoga geht es nicht nur um Dehnungsübungen. Die Muskulatur wird gestärkt, die Kraftausdauer verbessert sich und es fällt uns mit der Zeit leichter, in einer guten und gesunden Haltung zu sitzen, zu stehen – und zu reiten!

Sommerkurs zum Thema Yoga und Reitkunst

Für mich ist Yoga die ideale Ergänzung zum Reiten. Auch deswegen habe ich mich entschieden, meine Kenntnisse und meine Praxis mit einem 200H Yoga Teacher Training noch zu vertiefen. Ich hoffe, ich konnte auch dich inspirieren, etwas für Körper und Geist zu tun! Zusammen mit der lieben Vanessa von Wege zur Reitkunst plane ich in diesem Sommer einen Kurs zum Thema Yoga und Reitkunst. Informationen und die Anmeldung findest du hier.

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